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Deutsches Bimsmuseum

Vom Naturphänomen zum Wirtschaftswunder - Kulturelles Erbe der Bimsindustrie e.V.

Teil II, Industrialisierung

Mit der Wende in das 20. Jahrhundert wurden viele Ar- beiten mechanisiert. So gab es 1903 die erste Mischmaschine und 1912 die erste Handstein- schlagmaschine.

Das war der Beginn effektiver Arbeitsabläufe, die dann je- doch auch weniger Arbeitskräf- te benötigte. So richtig star- tete man aber damit  schon bald über Deutschland hinaus.

Im weiten Umfeld verschaffte sich die Bimsindustrie große Beachtung und Arbeitskräfte wurden durch die schnelle Expansion der Bimsstein-fertigung bereits Ende des 19ten Jahrhunderts sehr knapp.


Die Zeit des Ersten Weltkrieges und viele Jahre danach, war die Wirtschaft wie überall ziemlich am Boden. Reparationen als Folge des verlorenen Krieges und auch die Inflation machte den Menschen zu schaffen. Jedoch Mitte der 20er Jahre erholte sich die  Wirtschaft und blühte wieder auf. Es gab erneute Fortschritte in der  Mechanisierung, die alle Bereiche erfasste. Der Abbau des Rohmaterials wurde von Maschinen erledigt. Viele Neuerungen gab es auch bei der Herstellung der Steine. Das hatte zwar den Vorteil höherer Kapazitäten und weniger Kosten, machten aber die mühsame Handarbeit überflüssig und viele Menschen verloren ihre Arbeit.

Den handbetriebenen Steinschlagmaschinen und Mischmaschinen folgten elektrisch betriebene „Universalstampfmaschinen“, die das Mischen und Verdichten der Steine übernahmen. Für die Gewinnung des Bimssandes wurden Spezialbagger mit Förderbändern eingesetzt und den Weiter-transport zur Verarbeitung übernahmen LKW, Förderbänder oder Klein-bahnen. Für den Transport der Steine von der Fertigungsanlage zu den Arkplätzen, Trockenplätzen, sorgten Seilbahnen.

Die Nachfrage nach Schwemmsteinen wuchs in dieser Zeitständig  an und erreichte nach einem kurzen Einbruch in den Jahren 1929 - 1933, die Zeit der Weltwirtschaftskrise, bis zum Jahr 1938 einen Verkauf von fast 1 Milliarde 4-Zoll-Steinen. Die Produktion hatte sich seit 1900 vervierfacht.

Mehr noch als der Erste brachte der Zweite Weltkrieg der Rheinischen Bimsindustrie schwerste Verluste. Werksanlagen waren vielfach zer- stört, geplündert, heruntergewirtschaftet. Die letzten vorhandenen Vorräte an Bimsbaustoffen wurden von den Militärbehörden beschlag- nahmt und zum größten Teil als Reparationslieferungen nach Frankreich versandt. Ende 1945 waren in der Bimssteinindustrie deutschlandweit nur noch etwa 450 Arbeiter beschäftigt – und zwar fast ausschließlich mit Aufräumungsarbeiten und Verladetätigkeiten.

Mit der Währungsumstellung 1948 sollte sich das ändern. Die Bimsin- dustrie stand vor einem ungeahnten Aufschwung. Ende des Jahres gab es bereits 183 Betriebe, in denen 2800 Menschen ihr Geld verdienten. Innerhalb der folgenden zwei Jahre stieg die Zahl sprunghaft auf 872 Betriebe mit 6000 Beschäftigten an. Die Produktion erhöhte sich er- heblich von Jahr zu Jahr, so dass Anfang 1950 der Vorkriegsstand wieder erreicht war.

Auch der Rohbimsversand stieg an. Ein Drittel des abgebauten Bimses wurde unveredelt ab- transportiert. So war es mög- lich, dass nicht nur im Neu- wieder Becken sondern in der ganzen Bundesrepublik Bims- baustoffwerke entstanden. Die 400 bis 500 Betriebe waren hauptsächlich entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse angesiedelt und erhielten den Rohbims per Schiff. Unablässig brachten LKW Rohbims zum Andernacher Hafen. Die Straße zum Andernacher Hafen galt volkstümlich als „Bimsrollbahn“.

Durch den Wiederaufbau in der Nachkriegszeit boomte die Bims- steinproduktion. Der Bedarf konnte kaum gedeckt werden. In der Zeit zwischen 1948 - 1956 wurden 60% der Neubauten in Deutschland mit Bimssteinen gebaut, so hatte die Rheinische Bimsindustrie erheblichen Anteil am zügigen Wiederaufbau von durch Krieg zerstörten Ge- bäuden.

In den späten 60er Jahren schwächte sich der Boom ab. Es gab nun eine Konsolidierungsphase der Firmen, wobei der Absatz gleich blieb. In der Produktion gab es weiter Fortschritte durch Verbesserung der Maschinen und so der Produktivität.

Es entstanden vollautomatische sog. Ring- oder auch Kreislaufanlagen, die bis heute immer wieder dem neuesten Stand der Technik angepasst werden. Sie fertigen in einem Arbeitstakt zehn bzw. zwölf Hohl- blocksteine.

Die Bimsindustrie ist inzwischen zu einem Wirtschaftszweig geworden, in dem sehr genau gerechnet werden muss. Es wird lange nicht mehr so viel gebaut wie in den Nachkriegsjahren. Produktionsaufgaben, Rationa-lisierungen, Betriebsübernahmen waren die Folge.

1994 gab es im Neuwieder Becken noch 57 Betriebe mit 955 Mitar-beitern, im Jahre 2010 waren es noch 22 Betriebe mit 760 Beschäfti- gten. Sie stellten immerhin 3,2 Millionen Tonnen Bimsbausteine her. Das entspricht einem Anteil von13 % des gesamten Mauersteinmarktes in Deutschland.



Via Publica

Die B 8, eine alte Straße durch den Westerwald -II-

Die preussischen Meilensteine

 

Heute noch gut erhalten ist der eiserne preussische Adler an dem Obelisken in Birnbach.

Die Bundesstraße 8, die durch den Westerwald führt, geht auf die Via Publica zurück. Dies ist ein alter Fernweg, über den man die alten Städte wie Brüssel, Frankfurt, Würz- burg und Prag erreichen kon- nte. Erstmals wurde sie im Jahre 839 erwähnt. Über Jahr- hunderte war es ein einfacher Weg, der sich über die Höhen- züge schlängelte.

Zwischen 1780 und 1812 wurden einige Strecken der Straße im Be- reich Kircheib, Hasselbach, Weyerbusch und Birnbach als Chaussee ausgebaut, jedoch die mangelnde Unterhaltung führte dazu, das die Verkehrsader weitgehend wieder verfiel. 1822 begann der eigentliche Ausbau der Straße. Viele Jahre später, 1837 konnte man nach einer Inspektions- reise berichten, das die wichtige Verbindungin ihrer ganzen Ausdehnung im Regie-rungsbezirk Koblenz kunstmäßig angelegt sei und so wurde die Köln Frankfurter Poststraße zu den preussischen Provinzialstraßen auf- genommen.

Im späten 18. und im 19. Jahr- hundert erkannte man die Wichtig- keit der Fernstraße und es erfolgte der Ausbau zur Chaussee durch die Preußen.

Damit sich der Reisende auf der langen Fahrt mit der Kutsche, mit dem Pferd oder zu Fuß orientieren konnte, setzte man um 1820 Meilensteine.

Sie hatten die Form eines Obelis- ken mit einer Höhe von 3,54 Me- tern. Eine aufwändige Form, die auf den preussischen Architekten und Begründer der modernen Denk- malpflege, Karl Friedrich Schinkel, zurückgeht.  Als Verzierung trägt der Meilenstein am obere Rand einen gußeisernen preußischen Ad- ler. Auf dem Stein waren Orts- angaben und Entfernungen einge-meisselt, etwa „1/8 M ALTEN-KIRCHEN“ und „FRANCFURT 15 3/4 M“. Eine preußische Meile ent- spricht dabei in etwa 7,53 Kilo- metern.

Man setzte die Meilensteine regelmäßig im Abstand von je einer preußischen Meile entlang der Chaussee. Wenn es einen guten Standort gab, nahm man es nicht so genau mit dem Meilenabstand.

Noch heute erinnern viele Steine an den Ausbau der Straße man findet sie in Kircheib, bei Rettersen, bei Witthecke, in Hasselbach, bei Weyer- busch, in Birnbach, am Oberölfer Berg, in Altenkirchen und in Michel- bach.
 
Die verkehrsgeschichtliche und kulturhistorische Bedeutung der heute vielerorts noch vorhandenen preussischen Meilensteine wird dadurch deutlich, dass die UNESCO diese in die Liste der Kulturdenkmale im Welterbe Kulturlandschaft Oberes Mittelrheintal aufgenommen hat.


Quellen:
Christoph Boddenberg, Rheinischer Verein für Denkmalpflege und Landschaftsschutz, 2014
www.forschungsgruppe-meilensteine.de





In Waldbreitbach an der Wied steht eine Ölmühle, die ihre erste Konzession durch Kurköln 1676 erhielt, vier Jahre später aber von einem Hochwasser vernichtet wurde. Vom Wiederaufbau 1700 stammt das aus Eichenholz konstruierte Triebwerk des Kollergangs.

 

"GLÜCK ZU" –
WO ES KLAPPERT, RAUSCHT UND RAUNT

Mühlengeschichte und- geschichten, von Andrea Korte-Böger

Um der vielfältigen Verbreitung von Mühlen nachzuspüren, geht man am besten einmal in den Suchmodus unter „Google“ und gibt die Suchbe-griffe „Wandern Mühlenwege“ ein. 22.000 Einträge locken, die Wander-schuhe zu schnüren und auf historischen Mühlenpfaden entlang großer oder kleiner Bachläufe alte Mühlenstandplätze zu erkunden.

Nicht ganz so Bewegungsfreudige können auch zu Stadtplänen greifen und Mühlenstraßen suchen oder auch hierfür wiederum dem Computer die Recherche überlassen.

So lässt sich fast überall im Westerwald eine Mühlenstraße oder eine Mühlengasse finden.


Die Anfänge

Die vielfältigen Nachweise verweisen auch heute noch auf die immense Bedeu- tung, die Mühlen für das Gemeinwesen zu allen Zei- ten hatten. In der Ge- schichtsforschung wird das Mühlengewerbe zum Teil als einer der wichtigsten, vielleicht sogar als der wichtigste Handwerks- und Industriezweig der Welt schlechthin be- wertet.

Die Geschichte der Mühlen beginnt mit dem Sesshaftwerden der Menschen, in der europäischen Region am Ende der letzten Eiszeit vor ca. 12.000 Jahren und dem damit beginnenden Anbau von Getreide. Wenn auch heute jede Art von Körnerbrot heiß begehrt ist und gerne verzehrt wird, darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die ganzen Körner immer in einer Grundmasse gemahlenen Getreides eingebacken wer- den und dass das Mahlen des Getreidekorns für die menschliche Ernährung unverzichtbar ist.

Anfänglich wurden die Körner zwischen zwei Steinen mehr zerquetscht und zerrieben als gemahlen, später entwickelte man Mörser, in denen das Getreide zerstampft wurde. Der nächste Entwicklungsschritt waren die mit Hand getriebenen Mühlen, bei denen der Decstein (versehen mit einem Handgriff) in einem passend ausgehöhlten Bodenstein herumge- führt wurde; dadurch wurde das Getreide zwischen den Steinen zer- mahlen. Der ruhende Bodenstein mit dem sich auf ihm drehenden Läu- fer ist bis zum Ende des 19. Jahrhunderts das Arbeitsprinzip der Mühlen. Dann wurden die Steine zugunsten von Walzen ausgetauscht.


Eine sog. Höndchesmühl – ein Laufrad für einen Hund, dessen Kraft zu vielerlei genutzt wurde. In Isenburg betätigte man den Blasebalg für das Feuer. Es finden sich auch Konstruktionen, mit deren Hilfe der Schlägel zum Herstellen von Butter betätigt wurde.

Antrieb durch Tier oder Mensch

Natürlich versuchte der menschliche Erfindungsgeist, diese zeit- und kraftintensive Tätigkeit zu vereinfachen und spannte – wortwörtlich – ein Tier in den Dienst des Mahlens ein: Der Läuferstein wurde mit einer Deichsel ausgestattet, an der nun Ochse, Esel, auch Hund, Pferd oder Kuh, selten auch Menschen, im immer-währenden Kreislauf die Mahl- einrichtung betrieben.

Diese Form der Mühle nennt man Göpel, wobei die Herkunft des Wortes unklar ist. Aus der Technikgeschichte erstmalig überliefert ist der Göpel im Werk des Georgius Agricola De re metallica (Das Buch über die Metallkunde) aus dem Jahre 1556, wo zahlreiche Abbildungen den Ein- satz von Göpeln im Bergbau zeigen, mit denen allerdings Wasserpumpen betrieben wurden.

Wen diese Technik interessiert, dem sei ein Besuch im Museumsdorf in Altwindeck empfohlen, wo in der Scheune ein Nachbau eines Pferde- oder Eselgöpels zu besichtigen ist und die Technik verständlich gezeigt wird.


Seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts gab es in Isenburg Nagel-schmieden, zwischen 1870 und 1920 waren dort rund 200 Nagler tätig.

Ein Nagelschmied fertigte am Tag ungefähr 2.000 Schuhnägel. Es wur- den Nägel für alle Bereiche hergestellt und meist von den Herstellern selbst bis in den weiteren Umkreis verkauft. Dazu wurden Nägel von der Neuwieder Nagelagentur, die wöchentlich zwei Fuhrwerke abnahm, bis nach England vertrieben. 1923 gab der letzte Nagelschmied sein Handwerk auf.


ANTRIEB DURCH NATURKRÄFTE

Die Wassermühle

In einer alten Urkunde vom 29. März 1610 wird die Steinches Mühle erstmals erwähnt. Die Bewohner der Orte Derschen, Mauden und Emmerzhausen mussten dort ihr Getreide mahlen lassen. Im Laufe der Jahrhunderte änderten sich die Besitzverhältnisse mehrfach. Die Gemeinde Derschen erwarb die Mühle, obwohl diese auf Daadener Gebiet steht, im Jahr 1911. In den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde der Mühlbetrieb dann eingestellt.

Die nächste Entwicklungsstufe in der Mühlengeschichte stellte die Er- findung des Wasserrades dar. Rund 300 v. Chr. wurde im Zweistrom- land – wo man schon seit Jahrhunderten, mit von Menschen oder Tieren betriebenen Treträdern, Wasser in Bewässerungsgräben schöpfte und so die Felder bewässerte – das Wasserrad erfunden, die noria: ein von Was- serkraft betriebenes Wasserschöpfrad. Es war eine epochale Erfindung: Erstmalig war es dem Menschen gelungen, eine Naturkraft mit gezieltem Einsatz in seinen Dienst zu stellen.

Einige Jahrhunderte später beschreibt der römische Architekturwissen- schaftler Vitruv im Jahre 10 v. Chr. den Funktionsmechanismus einer Wassermühle, einer mola aquaria. Unschwer ist in diesem Wort unser deutscher Begriff „Mühle“ = mola wiederzufinden. Vom Römischen Reich aus trat die Wassermühle ihren Siegeszug an. In der Mühlen-forschung geht man davon aus, dass um 800 n. Chr. Wassermühlen in Gesamteuropa, bis in den hohen Norden hinauf, bekannt waren und den Menschen die Arbeit erleichterten, in vielen Fällen auch abnahmen.

Vier Arten von Wasserrädern entwickelten sich aufgrund der Menge zu- fließenden Wassers, das ober-, das unter-, das mittel- und das tief- schlächtige Wasserrad. Jede Variante wurde technisch ausgefeilt und in verschiedene Typformen weiterentwickelt, um eine bestmögliche Ener- gieumsetzung zu gewährleisten; hier sollen nur die Grundformen auf- gezeigt werden. Der Fachbegriff „-schlächtig“ leitet sich übrigens von Schlagen, hier dem Aufschlagen des Wassers auf das Mühlrad, ab.

Gleichgültig, wie und wofür man die Wasserkraft ausnutzte, in jedem Fall wurde durch das Wasserrad ein Wellbaum betrieben, eine große, schwere Welle, zumeist aus Eiche, mit der die Kraft ins Innere der Müh- le übertragen wurde.

Wassermühle bei Altenkirchen













Das oberschlächtige Wasserrad

Viel Wasser und nur eine geringe Strömungsgeschwindigkeit braucht man zum Antrieb des oberschlächtigen Wasserrades. Hier fließt das Wasser über ein Gerinne von oben in Abteilungen oder, so der Fachaus- druck, in Zellen des Rades. Mit dem Füllen der Zelle wird das Rad durch das Gewicht des einfließenden Wassers in Bewegung versetzt und dreht sich nach unten, vom Zustrom weg, in Richtung des Wasserabflusses.

Das unterschlächtige Wasserrad

Zu seinem Betrieb braucht man recht wenig Wasser, das mit einer hohen Strömungsgeschwindigkeit unter dem Rad durchfließt und dabei seine Kraft über Schaufeln auf das Rad überträgt. Der Zufluss bedingt, dass sich das unterschlächtige Rad zum Zulauf dreht, so dass die angetrie- bene Mahleinrichtung andersherum läuft als beim oberschlächtigen Rad. Eine Veränderung des Zuflusses – mal von oben, mal von unten – ist also nicht möglich.

Mitte der 90er Jahre wurde in Siegburg die ehemalige Stadtmühle res- tauriert, das Mühlengebäude war zuvor zur Wohnnutzung umgebaut wor- den. Alle wollten in der alten Mühle wohnen, aber als das Rad, ein un- terschlächtiges, so genanntes Zuppinger Rad, sich zu drehen begann, und es rauschte, spritzte und gluckerte, endete die Romantik. Man setz- te ein Laufverbot durch, und so wurde aus dem Mühlrad ein „stehendes Denkmal“.

Das mittelschlächtige Wasserrad

Hier liegt der Wasserzustrom in Radmitte, auf Höhe der Radnabe. Auch das mittelschlächtige Rad arbeitet mit Zellen, die vom Zustrom zum Teil gefüllt werden, zum Teil bekommt es seine Bewegungsenergie aber auch durch die Aufprall- und Fließgeschwindigkeit des Wassers. Da die Zellen auf Radmitte liegen, laufen sie in Richtung des Zustroms über. Es dreht sich also, ebenso wie das unterschlächtige Rad, zum Zustrom hin, arbeitet energetisch aber in annähernd derselben Technik wie das ober- schlächtige Rad.

Das tiefschlächtige Wasserrad

Das tiefschlächtige Wasserrad kommt ganz ohne Wassergefälle aus, bestes Beispiel sind die von vielen historischen Stadtansichten be- kannten Schiffsmühlen, die vor den Städten im Strom verankert lagen. Für Köln sind in der frühen Neuzeit mehr als 30 Schiffsmühlen auf dem Rhein überliefert. Die letzte sank in einer Sturmnacht im Jahre 1847 und wurde nicht mehr ersetzt. Bei der Schiffsmühle wird das Mühlrad allein durch den Strömungswiderstand der Schaufelbretter angetrieben. Mit dem Aufkommen der Dampfschifffahrt und dem Verwirbeln der Was- serfluten wurde der Betrieb der Schiffsmühlen nach und nach ein- gestellt.








Die Rüscheider Windmühle*

Beschwerlich war der Weg für die Bauern zur Mühle ins Aubachtal und später zur  Thalhauser Mühle im Iserbachtal. Es waren lange und be- schwerliche Transportwege.

So fasste der Rüscheider Friedrich Haag den Entschluss, auf dem Höhen-rücken südlich von Rüscheid eine Windmühle zu bauen.1880 wurde mit dem Bau der „Kappenwindmühle“ begonnen. Bei dieser Bauform musste nur das Dach (die Kappe) zum Wind ausgerichtet werden.
Die Bauzeit war 2 Jahre bis die Mühle betriebsbereit war und die Mühl- steine sich in Bewegung setzten.

Doch schon bald erkannte man dass der Standort am Nordhang der An- höhe ungünstig war. Der sogenannte „Maischeider Wind“ erreichte die Mühle nur unzureichend und bei den Frühjahrs- und Herbststürmen brachen des Öfteren die mächtigen Flügel ab – die Windverhältnisse waren einfach zu unterschiedlich. Durch den ständigen Stillstand nahm die Zahl der Mahlgäste aus dem Kirchspiel Anhausen ab. Daraufhin stellte der Müller den Betrieb ein.

Einige Jahre später beabsichtigte man, das eiserne Mahlwerk durch Motoren wieder in Gang zu setzen, doch der Müller war inzwischen ver- storben. Nachdem seine Nachkommen die mechanik und Mühlsteine verkauft hatten, verfiel das Mühlengebäude.

Es dauerte nicht mehr lange, bis das Gebäude als Steinbruch diente.

Die letzten Reste des Fundaments wurden um 1930 beseitigt.

* Informationen aus „Im wiedischen Land“ S. 692 von Albert Hardt und "Rüscheid - auf den Spuren der Ortsgeschichte" S. 39 von Arno Schmidt.


Die Windmühlen

Die ersten Windmühlen sollen um 600 n. Chr. in Asien gebaut worden sein, mit urkundlich verlässlichen Datierungen sind sie in unserer Region seit dem 12. Jahrhundert nachgewiesen. Da man zum Betrieb der Mahl- einrichtung auf den Wind angewiesen war, der seine Richtung häufig wechselt, musste man die Möglichkeit haben, die Räder der Mühle je- weils in den Wind zu stellen. In der frühen Zeit geschah dies dadurch, dass man das gesamte Mühlengebäude auf einen Bock aufstellte, auf dem der Aufbau drehbar aufgebaut war. Entsprechend der Technik tra- gen diese Mühlen den Namen Bockwindmühlen. Da sie aufgrund ihrer geringen Auflage auf dem Bock sehr windanfällig waren, sprich bei starkem Wind auch einfach umgepustet werden konnten, entwarf schon Leonardo da Vinci 1346 eine Mühle mit drehbarem Dach. Erste Exem- plare dieser Kappenwindmühlen finden sich gut 100 Jahre später in der Gegend von Geldern.

Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass nach der Technik des drehbaren Kopfes bzw. der in den Wind drehbaren Kappe auch die heu- tigen Windkraftanlagen arbeiten.

Während im Westerwald heute noch einige Wassermühlen vorhanden sind und zum Teil am Deutschen Mühlentag, der immer am Pfingstmon- tag stattfindend, auch besichtigt werden können, gibt es hier keine Zeu- gen von Windmühlen mehr.


In Oberdreis am Mühlbach, befindet sich eine historische Ölmühle, in der unter anderem Bucheckern der umgebenden Buchen gemahlen wurden. Die Ölmühle ist heute nicht mehr in Betrieb, aber dank ihrer Lage und der traditionellen Fachwerkbauweise (Eichenfachwerk) erhalten. Die Mühle wurde früher „Owerdresser Ollichsmill“ genannt und ist ungefähr 300 Jahre alt. Die stempelbetriebene Keilpresse, der Königsstuhl und der Kollergang sind noch gänzlich erhalten.

Verschiedene Nutzungsarten der Mühlen

In Mühlen wurde keineswegs nur Ge- treide gemahlen. Es gab eine Vielzahl von Gewerben, die sich Mühlenein-richtungen bedienten.  Wenn uns hier auch speziell Getreide-Mahlmühlen in- teressieren, sollen doch einige weite- re Beispiele genannt werden: In Stampfwerken wurden Erze zerklei- nert, aber auch Lumpen zerschlagen, die man zur Papierherstellung benötig- te. Im ersten Fall sprach man von Pochmühlen, im zweiten von Papier- mühlen. In Knochenmühlen wurden Knochen zur Herstellung von Knochen- mehl zermahlen, das als Dünger, aber auch zur Leimherstellung verwendet wurde. In Ölmühlen zerquetschte man ölhaltige Früchte und Samen zur Öl- gewinnung, in Walkmühlen wurden Stoffe gewalkt, d.h. durch Schlagen und Kneten verfilzt. Für das Zermahlen von Eichenlohe (Eichenrinde), die die Lohgerber für das Gerben schweren Le- ders benötigten, waren Lohmühlen un- erlässlich. Aber es gab auch Hammer- werke, wo man mit Wasserkraft die Schmiedehämmer und Blasebälge antrieb.


Die Mahleinrichtungen

Die Technik im Inneren einer Mühle sah natürlich in der frühen Neuzeit anders aus, als in der beginnenden Industrialisierung, oder in den modernen Mühleneinrichtun- gen der Gegenwart. Hier kann nur eine grobe Übersicht erfolgen, die zu der Zeit passt, aus der die meisten im  Wester- wald vorhandenen Mühlen stammen.

Der Wellbaum trieb im Inneren der Mühle verschiedene Räder an – das Stirnrad und das Kammrad –, welche die Kraft auf die Königswelle übertrugen, die dann, mit der Zwischenschaltung weiterer Räder, über die Tellerräder endlich den Antrieb auf die Mahlsteine übertrug. Ein Großteil dieser Einrichtung bestand aus Holz und konnte vom Müller und seinen Knechten selbst repariert oder auch ergänzt werden.

Dies war nach Austausch der mechanischen Holzeinrichtungen gegen Eisen (spätestens Ende des 19. Jahrhunderts) natürlich nicht mehr mög- lich.

Die gesamte Mahleinrichtung befand sich auf der Ebene des Wasser-rades, das heißt, das Mahlgut musste in jedem Fall, entweder auf dem Rücken der Müllerknechte oder durch Flaschenzüge, in das Obergeschoss transportiert werden. Dort wurde es in den Einfülltrichter geschüttet, rutschte, ständig angetrieben durch einen Rüttelschuh, durch ver- schiedene Reinigungssiebe, um schließlich in der Mahleinrichtung zer- kleinert zu werden. Das weithin zu hörende Schlagen dieses Rüttel-schuhs verursachte das im Lied festgehaltene mühlentypische Geräusch: „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach …“


















Ein Stoff der vom Himmel fiel
Deutsches Bimsmuseum
vom Naturphänomen zum Witrtschaftswunder ­–
kulturelles Erbe der Bimsindustrie e.V.

Teil 1,  die entstehung des Bims, die ersten Steine

Bims ist ein ganz besonderes Gestein. Seine spezielle Struktur und geringe Dichte machen ihn zu einem perfekten Baustoff.
Der Bimsabbau war maßgebend für den Beginn der industriellen Baustoffproduktion
und dem rasanten wirtschaftlichen Aufstieg einer ganzen Region:
dem Neuwieder Becken. Auch den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg gestaltete die Bimsindustrie entscheidend mit.

Wir erforschen die Geschichte der Bimsindustrie und machen sie für nachfolgende Generationen erlebbar – besuchen Sie uns im Bimsmuseum in Kaltenengers.


Im Gebiet um den Laacher-See gab es in der Erdgeschichte immer wie- der vulkanische Tätigkeit. Seit 650.000 Jahren entstanden so viele Schlackenkegel und Seen. Dann, vor etwa 12.900 Jahren gab es den großen „Knall“.

Aus heutiger Sicht war es die jüngste vulkanische Großeruption in Mit- teleuropa. Für die damals lebenden Menschen muß es die Hölle gewesen sein, als plötzlich Feuer vom Himmel fiel. Berge explodierten, glühende Lavabomben, Gesteine, Lockermaterialien und Aschen flogen zum Teil 40 km hoch durch die Luft und erschlugen und bedeckten alles unter sich. Innerhalb von wenigen Tagen schleuderte der Vulkan die unvor- stellbare Menge von ca. 16 Kubikkilometern Bims aus dem Krater, dem heutigen Laacher See, bis hinauf in die Atmosphäre. Ungeheure große Energien wurden freigesetzt und formten die Landschaft um.

Diese Eruption, war eine der größten bekannten Ausbrüche der Welt, wogegen z. B. die Eruption des Mount St. Helens in den USA 1980 kaum nennenswert ist.

Ursache dieser gewaltige Erruption in der Eifel war der zu hohe Druck in der Magmakammer, die sich dort in der Erde befand. Sie explodierte und schleuderte ihren Inhalt hinaus, dann brach sie ein. Dadurch ent- stand ein ellipsenförmiger Einsenkungstrichter, ein kesselartiger Vulkan-krater. Durch den entstandenen Druck wurde erneut Magma nach oben gepresst und es kam zu weiteren Vulkanausbrüchen am Rand des Kra- ters, dadurch entstanden in dem Bereich neue Schlackenkegel. Das Erd- innere kam nicht zur Ruhe und pustet immer weiter Material heraus, ein lockeres Material, das auf die neuen Berge und auf die gesamte Land- schaft regnete. Dieser Niederschlag türmte sich bis zu 30 m hoch um den Laacher See. Er bestand aus Tuff und Bims.  

Es bildeten sich riesige Wolken gefüllt mit Asche und Lockermaterial (der heutige Bims) Die Eruptionswolken zogen in großer Höhe vorwie- gend in Richtung Osten, wo dann der Inhalt  nach und nach niederfiel. In etwa 15 km Entfernung von dem Ausbruch, im Bereich von Neuwied am Rhein, haben die Auftragungen immer noch eine beachtliche Höhe. Das Material findet man bis weit in den Westerwald.

Der Ausbruch dauerte nur einige Tage, jedoch Menschen, Tiere und Pflanzen hatten keine Chance hierbei zu überleben. Alles Leben in einem weiten Umfeld verbrannte und wurde begraben.

Die Wingertsbergwand ist der weltbekannte vulkanologische Aufschluss der Lockermaterialien in der Nähe des Laacher See-Vulkans. Hier hat sich der Ausbruch des Laacher See-Vulkans eindrucksvoll wie in ein Tagebuch gezeichnet. Heute, fast13.000 Jahre später, können wir die Spuren dieser Naturkatastrophe an der Wingertsbergwand folgenund deren Ausmaß erfahren. Die Bergwand ragt bis zu 50 Meter hoch und steil auf und läßt uns in der Berg schauen. Sie gilt als die bedeutendste Bimsstein-Steilwand in Europa. Auf ihr zeichnen sich klar sichtbare Aufschlüsse über die Ausbrüche der Vulkane des Gebietes um den Laacher See. Klar begrenzt können die verschiedenen Schichten der Ablagerungen, der verschiedenen Erruptionen hier betrachtet werden. Zur Erklärung dienen Tafeln mit umfangreichen Erläuterungen aus Geologie und Vulkanologie.

Im Neuwieder Becken und seinen Randbereichen, eine Erweiterung des Rheintales zwischen Koblenz und Andernach, auf einer Fläche von etwa 200 km2 Ausdehnung, befinden sich die abbauwürdigen Vorkommen und Weiterverarbeitungsbetriebe von Basalt, Basaltlava, Trass und Tuff- stein, Lava und nicht zuletzt Bims. Dieser Reichtum an Bodenschätzen, der sich unter einer geringen Abraumschicht von Humus und Sand befindet, hat eine Verwertung ins Leben gerufen die heute industriell betrieben wird und deren Anfänge bis in die Römerzeit zurückreicht.

Viele Jahrhunderte diente Bims in den Orten der Region als Bau- material. Vermischt mit Lehm verwendete man den Mörtel zur Ausmauerung von Fachwerkhäusern. Ab1845 gab es dann den Beginn einer neuen Bauära durch die Erfindung des Koblenzer Bauinspektor Ferdinand Nebel (1782-1860).

Seine Erfindung war es Kalk mit Wasser als Bindemittel dem Bims hinzuzufügen, so entstand ein relativ fester und leichter mit Bims hergestellten Baustein, den man dann Schwemmstein nannte.


Nun wurde gebaut und rasch war auch für die Bevölkerung im Neuwieder Becken die Wohnraumsituation verbessert worden. Die Herstellung der Schwemmsteine boomte, viele Menschen zogen hinzu, um in der neuen Industrie zu arbeiten. 1875 waren in der Schwemm-steinproduktion bereits1.000 Arbeiter beschäftigt, die in einer Jahresproduktion 40 Millionen Steine herstellten.

Die Steine hatten ein festes Maß, es war das für Staatsbauten vorgeschriebenen Maß von Ziegelsteinen.
Es entsprach 10 cm x 12 cm x 25 cm.


Bei der industriellen Herstellung wurde zunächst in großen Pfannen Kalk mit Wasser vermischt und zu einer Kalkmilch verrührt, dazu kam im entsprechenden Verhältnis der Bims mit dem der „Speis“entstand. Diesen füllte man in die Kisten der Klopftische. Für die Steine gabe es Holzformen und Eisenformen in die man die Mischung hineinschaufelte. Mit einer Kelle, „Plötsch“ genannt, wurde das Bimskalkgemisch in der Form festgeklopft.  Die Rundumform konnte man abziehen und der Steinrohlig stand nun auf einem Holzbrettchen. Die Arbeiter brachten Frauen und Kinder mit, die dann das Brettchen mit dem Stein auf einem Gestell zum Härten ablegten. So konnte ein Arbeiter bis 1.000 Steine am Tag herstellen.

Schon bald, nach wenigen Tagen, waren die Steine so stabil, das die Brettchen ent- fernt werden konnten, dann wurden die Steine in lock- eren Reihen in die sog. „Ar- ken“ gestapelt, wo sie drei bis sechs Monate zum Aus- härten lagerten. Dann war der Stein fertig für den Ver- sand und die Verwendung.

Viele Betriebe entstanden in der Zeit und produzierten Schwemmsteine. Man konnte dort gut verdienen und die Bevölkerung im Neuwieder Beck- en wuchs durch Zuwanderung. Aber auch die Bauern aus dem Wester- wald kamen hier zur Arbeit. Die oft kleine Landwirtschaft dort konnte die Familien kaum ernähren und so fand man beim Bims Arbeit. Es wurden noch viele Menschen benötigt. Von Hand wurde der Bims in den Gruben abgetragen, mit Pferdekarren dann in die Produktionsstätten ge- bracht. Es war eine schwere harte Arbeit.

Dies sollte sich nach der Jahrhunderwende ändern. Die ersten Maschinen wurden in der Bimsindusrie eingesetzt 1903 wurde die erste Mischma- schine und 1912 die erste Handsteinschlagmaschine aufgestellt. Damit
waren auch erste Zeichen einer Rationalisierung gesetzt.


Deutsches Bimsmuseum
Rübenacher Straße 41a · 56220 Kaltenengers
Tel.: 0 2631-222 27
E-Mail: info@bimsmuseum.de · www.bimsmuseum.de


Das deutsche Bimsmuseum ist Bestandteil des Vulkanparks.
Es wurde mit Hilfe von vielen freiwilligen Helfern auf
dem ehemaligen Betriebsgelände der Firma Dott in Kaltenengers errichtet.

Dort zu sehen ist in derzeit 30 Stationen die Bimssteinproduktion von den Anfängen Mitte des 19. Jahrhunderts bis hin zur heutigen, maschinellen Herstellung.
Der Werdegang der Industrie – beginnend mit Klopftischen und einzelnen Handschlagmaschinen über die Industrialisierung mit Handschlagmaschinen
bis hin zur heutigen modernen Ringanlage wird in den einzelnen Stationen dargestellt.

Weiterhin sind die Förderung von Bims und die Entwicklung der Produkte
vom Vierzollstein bis zum Wärmedämmstein (z.B. zur Verwendung bei Passivhäusern), sowie die unterschiedlichen Anwendungsbereiche von Bims
außerhalb der Baustoffindustrie zu sehen.






Gestatten, Henkelmann. 

Kennen Sie ihn noch? Es ist nicht der Mann von der Zeitungsbu- de,  in seiner Zeit kannte ihn jeder. Er verkaufte keine Zei- tungen, nein er ging zu den Leuten im Blaumann in die Fa- brikhallen und Bau- buden. Warum er Henkelmann heißt, weiß man nicht. Kaum ein Buch gibt darüber Auskunft, aber seine Form lässt es erahnen. Oft hing er mit dem Henkel am Fahrradlenker. Er war auch kein Artist – es war die Bezeichnung für ein tragbares Essgeschirr.

Entstanden ist es in der Zeit der aufkommenden Industriali-sierung in Anlehnung des beim Millitär bekannten Kochge- schirrs. Die körperlich schwere Arbeit, der oft lange Arbeitsweg und die langen Arbeitstage auf Baustellen und in Fabriken verlangten eine angepasste Verpflegung, soweit die möglich war. Not macht erfinderisch, und so entstand ein verschließ- bares Essgeschirr mit einem Tragbügel, sogar in vielen Varian- ten, um den Anforderungen Rechnung zu tragen – der Hen- kelmann war geboren.

In der Gründerzeit der Industrie dachte noch niemand an Werkskantinen, so mussten sich die Arbeiter ihre Verpflegung – die Kaffeeflasche, die Brotdose für die Frühstückspause und zum Mittag den Henkelmann selbst mitbringen. Es gab viele Varia- tionen des Essgeschirrs: Emailliert mit einem, zwei und auch drei Behältern, aus Aluminium, als Einzelbehälter und im Dop- pelpack. Die Behälter bestanden aus festem Material und muss- ten schon mal einem Stoß standhalten.

Man konnte längst nicht alle Gerichte darin servieren. Über- wiegend waren es Eintopfgerichte, Suppen, Gemüse „durch- einander“. Die Frauen waren sehr erfinderisch in der Auswahl und Zubereitung der Henkelmanngerichte, immerhin hing die körperliche Verfassung und auch gute Laune des Gatten oder Sohnes davon ab. Das Aufwärmen der Henkelmänner war Auf- gabe der Lehrlinge, dazu stand ein Wasserbehälter auf dem Ofen bereit. Vor der Pause wurde das Wasser erhitzt und die Behältnisse pünktlich in das heiße Wasser gestellt.

Nun bloß nicht kochen lassen, sonst verliert der Inhalt seinen Geschmack, also immer beobachten und Vorsicht! Die Spange und der Deckel sollten geöffnet werden, nicht ungefährlich, denn Überdruck konnte das Mittagsmahl zur Explosion führen, hiervor warnte sogar ein Plakat der Berufsgenossenschaft.


Verführerische Düfte stiegen den Budenjungen in die Nase, und da der Hunger immer groß war, fehlte schon mal ein Stück Wurst oder Beilage. Dies führte abends zur Beschwerde bei der Ehefrau, wegen der mäßigen Zuteilung der Essensration.

Wenn der Arbeitsplatz nicht allzu weit von zu Haus war, wurden die Henkelmänner von den Ehefrauen, Müttern oder Kindern ge- bracht. Pünktlich musste man sein, denn die Pausen waren kurz bemessen. Der noch warme Henkelmann wurde in Zeitungen gepackt, diese hielten ihn noch etwas länger warm, und man machte sich auf den Weg zum „Essenbringen“. Es hatte den Vorteil, dass das Essen nicht mehr aufgewärmt werden musste und so schmackhafter war. Die Mahlzeiten wurden in den Fa- brikhallen und Baubuden direkt neben den Maschinen einge-nommen, und es fand sich noch ein Augenblick für ein Schwätz- chen.

Die Kochkünste der Frauen wurden gelobt. Es war nicht einfach, abwechslungsreich und immer wieder lecker zu kochen.


Mehrere Gänge mit Messer und Gabel gab es nicht. Willkommen waren ein paar Reibekuchen im oberen Fach, die man dann zur Bohnensuppe aß.

Nach dem Krieg ging der Henkelmann einen anderen Weg. Die Kinder nah- men ihn leer mit in die Schule. Hier gab es dann die „Quäkerspeisung“ – ein Hilfsprogramm der amerikanischen Besatzung. Die Schul-kinder nahmen den gefüllten Topf wieder mit nach Hause.

Bei den Bergleuten und in der Landwirtschaft gab es für den Henkelmann weniger Auftritte. Die Bergleute hatten ihr „Blech“, die Kaffeeflasche. In der Landwirtschaft nahm man die Mahl- zeiten auf dem Hof zu sich. Zur Erntezeit wurde die Verpflegung in Körben auf das Feld gebracht.

Der Henkelmann wurde arbeitslos, als die ersten Werkskantinen eröffnet wurden. Frittenbuden und Imbissautomaten ließen ihn zu Hause bleiben. Die Erfindung der Mikrowelle machte das heiße Wasserbad überflüssig. Im Laufe der Jahre wurden auch die Arbeitszeiten kürzer, und die Arbeiten waren körperlich nicht mehr so schwer, deshalb brauchte man auch nicht mehr die def- tigen reichhaltigen Mahlzeiten. Ob die Ernährung heute jedoch gesünder ist, steht auf einem anderen Blatt.



Die Straße, heu- te gut ausge- baut, mal drei- spurig mal et- was enger führt sie kurvig, mal ansteigend und wieder bergab durch den Westerwald von Nord nach Süd. Die „Volksstraße“ ist einer der ältesten Wege in Europa, sie war Handelsweg und auch später Poststraße. Man führte die Handelstraßen nicht durch die Flußtäler sondern oberhalb davon über die Höhen der Hügelketten, Die Flußtäler waren oft sumpfig und von Hochwasser bedroht.

Erwähnt wurde der Weg  bereite 839, er führte von Brüssel über Frankfurt, Würzburg, Nürnberg bis Prag. Unter anderen ist in Limburg noch die Lahnbrücke von 1341 ehalten, eine der ältesten Steinbrücken Mitteleuropas.

Auf der Straße bewegten sich nicht nur die Händler mit ihren Karren und Wagen, Reisende und Pilger bevölkerten ebenso die Straße.  Für die Orte entlang des Weges war dies  von wirtschaftlicher Bedeutung, Übernachtungen in den Her- bergen und auch Zölle brachte etwas Wohlstand.

Auffallend für den Westerwaldbereich sind einige kleine Kirchen die in kurzem Abstand an dem Weg zu finden sind. Alle um 1200 erbaut und noch heute sehr gut erhalten.

Für die Pilger war dies natürlich willkommen, denn durch jeden Kirchenbesuch kam man dem Himmelreich etwas näher.



Der Anlass einer Pilgerreise konnte eine auferlegte Buße sein und das Bemühen, einen Sündenablass zu erhalten, die Erfüllung eines Gelübdes, in einem be- stimmten Anliegen, religiöse Vertiefung oder Abstattung von Dank.  Ziel ist ein als heilig betrachteter Ort, etwa eine Wallfahrtskirche, ein Tempel, ein Baum- heiligtum usw. Vor em Start ordneten Pilger ihr Leben, machten ihr Testament, zahlten ihre Schulden, bevor sie sich auf den Weg machten, der oft sehr weit war. Pilger waren oft lange unterwegs und es war nicht immer sicher, ob man zurückkehrt.

Wenn man aus Richtung Köln durch den Westerwald kam war das nächste große Ziel Limburg,  Mainz und  Trier. Als Fernziel stand das heilige Grab, Rom und auch führte der Weg zu dem angeblichen Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela in Galicien (Spanien).

Das die Jakobspilger auch diesen Weg wanderten, darüber findet man noch heute Hinweise in der Chronik des Dorfes Birnbach bei Altenkirchen, hier ist von einer Pilgerstation  der Jakobsbrüder zu lesen.  Hier kehrten die Mitglieder der Bruder-schaftund andere Pilgerein, und wenn sie weiter zogen, haben sie in der Kirche nebenan eine Pilgermesse gefeiert. Die Fernstraße hat hat in ihrem Bestehen natürlich oft den Verlauf verändert und so führt der alte Weg weiter zu einer ehemaligen Furt bei Almersbach durch die Wied, Unterhalb der Almersbacher Kirche.

Hier finden wir einen weiteren Hinweis auf die Jakobspilger.  Oberhalb eines Torbogens in der Kirche finden wir eine Darstellung des Jakobus mit eine Muschel am Halsband, der zwei Pilger segnet.  Das Bild entstand im 13. Jahr- hundert, nach der Reformation wurde es mit Kalk übertüncht. 1915 wurde es wiederentdeckt und freigelegt.

Weiter südlich finden wir die nächste Kirche aus der Spätromanik in Höchsten bach, wo sich zwei alte Straßen kreuzen. Sie liegt auf einer Anhöhe mitten im Ort oberhalb der Wegkreuzung. Im inneren finden wir gotische Fresken an der Apsis aus der Entstehungszeit, u.a. mit der Darstellung Christus als Weltenrichter, der von einem Engel, einem Löwen, einem Stier und einem Adler umgeben ist – allesamt Symbole für die vier Evangelisten.





Vor über 200 Jahren zogen französische Truppen durch das Land.
Die Machtbesessenheit Napoleons oder die Ideale der französischen Revolution veränderten das Land, bis dann nach 1815 unter Preussen wieder feste Strukturen
entstanden ­– so auch die Gründung der Kreise.

Wie kaum in der Geschichte hat die französische Revolution das Leben im Rheinland nachhaltig geprägt. Rund 20 Jahre herrschten die Franzosen zwi- schen 1794 und 1814 am Rhein. Es gab zwar im alten Kaiserreich römischer Nation keinen Umsturz wie in Frankreich, jedoch vollzog sich dieser schleichend durch das neue Gedankengut aus dem Nachbarland. Mit militärischer Gewalt, unter Frankreichs neuem Kaiser, breitete es sich über ganz Europa aus. Mit der Kriegserklärung des revolutionären Frankreichs an den Kaiser von Österreich und damit auch an das verbündete Preußen im April 1792, wurden die deutschen Länder in ein nicht mehr aufzuhaltendes politisches Geschehen hineingezogen, das erst mit dem Wiener Kongress 1814/1815 seinen Abschluss fand.

Französische Revolutionstruppen kämpften mit dem Ziel „Freiheit Gleichheit und Brüderlichkeit“ für alle Menschen zu erlangen, weg von der absolutistischen Adelsherrschaft zur Demokratie. Man kämpfte gegen Heere von Berufssoldaten der absolutistischen herrschenden Fürsten unter Führung des Deutschen Kaisers. Viele Kriege zogen sich durch ganz Europa und auch die Rheinlandschaft war oft blutiger Schauplatz. Auch das rechtsseitige Rheinland kam zwischen 1795 und 1801 unter militärische Aufsicht der Franzosen.

Auch am Rhein und im Westerwald gab es heftige Schlachten zwischen den Revolutionstruppen und dem von Österreichern geführten Heer. Zwei Ausein- andersetzungen finden wir in der Geschichte, die nicht nur für die Soldaten des deutschen Kaisers tragisch endeten.

Die Schlacht von Neu- wied entbrannte am früh- en Morgen des 18. April 1797 als General Louis Lazare Hoche mit seinen Truppen auf das rechte Rheinufer übersetzte. Dort waren einige tau- send österreichische Sol- daten verstreut statio-niert. Den Kampf er- öffnete eine österreich- ische Kanonade, die einen Angriff der französischen Truppen unter Feld- zeugmeister Paul Freiherr Kray von Krajowa bewirkte. Nach mehreren Angriffen auf Schlüsselpositionen in der Nähe von Bendorf, gelang es der französischen Infanterie, unterstützt durch mehrere Schwadronen berittener Jäger, die Öster-reicher zu verdrängen. Es folgte ein Frontalangriff der französischen Kavallerie, der die Österreicher weiter vertrieb.

Tragische Bilanz für die österreichische Armee waren 3.000 tote Soldaten und weitere 7.000 Männer wurden in der Folge gefangengenommen. Für die Re- volutionstruppen ein wichtiger Erfolg.  Hoches erfolgreiche Offensive wurde durch die Verhandlungen beendet, die zum Vorfrieden von Leoben führten.

Idyllisch zeigt sich heute die Wiesenlandschaft zischen Buchholz und Kircheib mit dem Blick auf das Siebengebirge. Jedoch fand hier eine der blutigsten Schlachten statt. Am 19. Juni 1796 griffen die Österreicher nachts das franz-ösische Lager in Jüngeroth an. Der Angriff misslang und sie wurden von den Franzosen bis Kircheib verfolgt. Nach heftigem Artilleriebeschuss erstürmten sie das Dorf, während ständigem Beschuss der österreichischen Artillerie, aus Richtung der Anhöhen hinter dem Dorf. Nach längerem Infanteriekampf um die Höhen, wurden die Franzosen zurückgedrängt. An Verlusten hatten die fran- zösischen Truppen 1.500 Tote zu beklagen, bei den Österreichern fielen 400 Soldaten. Österreich verfügte in der Schlacht über 14.000 Mann, die Franzosen über 24.000 Soldaten. Heute findet man noch zeitgenössische Aufzeichnungen über die Schlacht in den Archiven.

Der Oberdollendorfer Hermann Christian Hülder, der am 20. Juni das Schlacht- feld besuchte beschreibt die schreckliche Szenerie. Bis heute finden sich in der Umgebung noch zahlreiche Artefakte der Schlacht, sogar die Befestigungs- anlagen in Jüngeroth sind auf Luftbildern zu erkennen. Der Buchholzer Ge- meinderat ließ 2009 auf Initiative von Ludwig Eich ein Mahnmal für den Frieden in der Gemarkung Buchholz errichten.





Hier nun die Geschichte eines Mannes, den die turbolenten Zeiten aus oder vielmehr in eine andere Bahn gebracht haben. Die linke Rheinseite war bereits unter französischer Verwaltung und rechtsrheinisch tummelten sich die Franzo- sen um Männer fürs Militär zu rekrutieren, für die großen Feldzüge die da kom- men sollten. So war es für die Männer oft nicht leicht, zu wissen wozu man sich entscheiden sollte. Der Widerstand nahm darauf oft eigenständige Formen an.

Andreas Balzar (genannt Balzar von Flammersfeld) wurde  an 28. Januar 1769 in Höchstenbach geboren. Der Pfarrerssohn sollte, als ältester Pfarrer werden. Er beugte sich zunächst dem väterlichen Willen und besuchte die Hohe Schule in Herborn. Jedoch schon hier zeigte sich schon sein Drang zu Abenteuer und Un- gehorsam. Er der Schule verwiesen nachdem man ihn dort als den lang gesuchten Wilddieb im fürstlichen Wildpark entlarvt hatte. Noch ehe man ihn dem Gericht überstellte floh er aus Herborn. Zurück in Flammersfeld wollte der Vater von seinem Sohn, dem Wilddieb nichts mehr wissen. Er verwies ihn aus dem Elternhaus. Es hieß er wär zu seinem Bruder nach Rußland gegangen, wo sein Bruder in den Leibwachen des Zaren diente. Dort rekrutierte er ebenfalls und er brachte es nach einiger Zeit zum Rang eines Kapitäns in der Leibwache.










Die Heimat, der Westerwald, zog ihn zurück, man weiß nicht warum. In jener Zeit fand er schnell Anschluss an eine herumziehende Räuberbande und schließ- lich gründete er eine Wildererbande und wurde deren Anführer. Die banden in dieser Zeit hatten nicht nur das Wild aufs Korn genommen sondern auch die Besatzer, die Franzosen.

Beim Marsch durch Flammersfeld verging sich ein französischer Offizier an der Braut Balzars. Er hatte in ein Wespennest gestochen, denn nun begann die Jagd Balzars und seiner Wildschützen auf die Franzosen. Es war genug Grund das auch  Bauern und andere junge Burschen seinem Jagdruf folgten.

Doch seinem Aufruf zu einer allgemeinen Erhebung im Westerwald  war wenig Erfolg beschieden. Teils kämpfte Balzar mit seinen Freischärlern auf Seiten der Kaiserlichen, wie die österreichischen Truppen genannt wurden, doch oft führte er eigene Unternehmungen mit seinen Männern durch.

Unter dem Namen „Le capitain noir“ (Der schwarze Hauptmann) wurde er von den Franzosen gesucht und auch immer wieder gefasst, er konnte jedoch mehr- mals aus deren Gefangenschaft wieder fliehen.

Jedoch im Sommer 1797 geriet er durch Verrat einem französischen Suchtrupp in die Hände. Man brachte ihn sofort nach Westerburg wo er umgehend in einem Kriegsgerichtsverfahren zum Tode durch Erschießen verurteilt wurde. Er gestand in articulo mortis, dass er 21 Offiziere mit eigener Hand getötet habe. Er wurde am 3. Oktober 1797 in Westerburg hingerichtet.

Eigentlich war er in den Augen der Franzosen ein Wilddieb, der wie damals der Räuberhauptmann Schinderhannes auf das Schafott geführt oder aufgehängt wurde. Durch seinen russischen Offiziersrang gab man ihm die Ehre mit dem Tod durch Erschießen. Der Widerstand gegen die Franzosen hat ihn aber für Jahr- zehnte zu einem Westerwälder Freiheitshelden gemacht.

Noch heute finden in Flammersfeld Aufführungen seines abenteuerlichen Lebens statt; der Autor Carl Spielmann machte ihn als den „Balzar von Flammersfeld“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer Romanfigur.

Literatur:
Erwin Katzwinkel: Andreas Balzar.
In: Lebensbilder aus dem Kreis Altenkirchen, 1979
Erwin Katzwinkel: Andreas Balzar - Legende und Wirklichkeit.
In: Heimat-Jahrbuch des Kreises Altenkirchen, 1975